Wann altern wir besonders stark? Zwei lebensverändernde Alterswellen

Longevity21. Juli 20251.4K Views

Frau beobachtet Kennzeichen der Alterung im Spiegel

Altern in Schübchen – der neue Blick auf den Lebenslauf

Wer denkt, der menschliche Alterungsprozess verlaufe gleichmäßig und stetig, liegt laut neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen falsch. Eine internationale Forschungsgruppe um Michael Snyder von der Stanford University hat nachgewiesen, dass unser Körper in bestimmten Lebensphasen regelrechte „Alterungsschübe“ durchläuft. Dabei altern wir nicht kontinuierlich, sondern erleben besonders ausgeprägte Veränderungen – messbar auf molekularer Ebene.

Zwei Altersphasen stechen dabei heraus: die Mitte der 40er Jahre sowie der Beginn der 60er Jahre. In diesen Lebensabschnitten ändern sich zentrale biologische Prozesse besonders rasant. Dieser Artikel erklärt, was dabei im Körper passiert, warum das so ist und wie man gezielt gegensteuern kann.

Die erste Alterungswelle: Was passiert um die 40er?

Viele Menschen verspüren mit Mitte 40 erste Anzeichen des Alterns: Die Fitness lässt nach, das Gewicht lässt sich schwerer kontrollieren, Haut und Haare verändern sich. Nun zeigt die Forschung, dass diese subjektiven Eindrücke biologisch messbare Grundlagen haben.

Die große Studie der Stanford University, in der Tausende Blut- und Stuhlproben ausgewertet wurden, belegt: Rund um das 45. Lebensjahr kommt es zu einer markanten Umstrukturierung des Stoffwechsels. Insbesondere der Fettstoffwechsel, der Alkohol- und Koffeinabbau sowie hormonelle Regelkreise geraten in eine neue Balance. Auch auf Zellebene lassen sich erhöhte Entzündungsmarker und erste Alterungszeichen nachweisen.

Diese Phase betrifft beide Geschlechter gleichermaßen. Zwar können bei Frauen die Wechseljahre den Prozess zusätzlich verstärken, doch auch Männer zeigen unabhängig davon entsprechende Alterungsphänomene.

Einflussfaktoren sind neben dem biologischen Alter auch individuelle Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung. Wer sich bis dahin wenig um seine Gesundheit gekümmert hat, erlebt die Veränderungen umso deutlicher.

Die zweite Welle: Warum um die 60 nochmals alles kippt

Die zweite Phase verstärkten Alterns beginnt durchschnittlich um das 60. Lebensjahr. Die Stanford-Studie zeigt hier besonders starke Veränderungen in folgenden Bereichen:

  • Der Körper baut Zucker langsamer ab, das Risiko für Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes steigt.
  • Die Leber- und Nierenfunktion nimmt ab, Entgiftungsprozesse verlaufen weniger effizient.
  • Das Immunsystem altert, sogenannte stille Entzündungen (“Inflammaging”) nehmen zu.
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive Einschränkungen und Muskelschwund häufen sich.

Diese zweite „Alterungswelle“ ist entscheidend, da sie häufig den Übergang vom aktiven Berufsleben in den Ruhestand begleitet. Wer hier nicht gezielt gegensteuert, sieht sich schnell mit zunehmenden gesundheitlichen Einschränkungen konfrontiert.

Warum verläuft Altern in Wellen?

Der Alterungsprozess verläuft nicht linear, weil er von komplexen biologischen Systemen gesteuert wird, die zu bestimmten Zeitpunkten Umstellungsprozesse durchlaufen:

  • Hormonelle Umstellungen: Mit Beginn der 40er und 60er Jahre ändern sich die Spiegel von Hormonen wie Testosteron, Östrogen, Cortisol oder Wachstumshormonen.
  • Epigenetische Veränderungen: Bestimmte Gene werden – abhängig vom Alter und Umweltfaktoren – verstärkt oder vermindert abgelesen.
  • Zelluläre Erneuerung: Die Regenerationsfähigkeit vieler Zellen nimmt ab, Reparaturprozesse verlangsamen sich.
  • Kumulative Schäden: Oxidativer Stress, Umweltgifte und ungesunde Lebensweise zeigen mit Verzögerung ihre Folgen.

Das Zusammenspiel dieser Mechanismen führt zu den beschriebenen Alterungsschüben.

Wie lassen sich die Wellen messen?

Mittlerweile gibt es wissenschaftlich validierte Methoden, um die biologische Alterung zu erfassen:

  • Epigenetische Uhren: Analysen der DNA-Methylierung verraten, ob der biologische Alterungsprozess schneller oder langsamer abläuft als im Durchschnitt.
  • Multi-Omics-Profile: Kombinationen aus Gen-, Protein-, Metaboliten- und Mikrobiomanalysen zeigen die individuelle Altersbiologie detailliert auf.
  • Klinische Biomarker: Blutwerte wie Entzündungsparameter, Leber- und Nierenwerte sowie Blutzucker liefern Hinweise auf beginnende altersbedingte Veränderungen.

Solche Messungen werden zunehmend auch in der präventiven Medizin und im Biohacking eingesetzt, um gezielte Gegenstrategien zu entwickeln.

Was kann ich tun, um den Alterungsprozess abzumildern?

Die gute Nachricht: Auch wenn Altern unvermeidbar ist, lassen sich die negativen Folgen der beiden „kritischen Phasen“ abfedern. Empfehlungen für die 40er Jahre:

  • Ausdauer- und Kraftsport zur Stärkung von Herz-Kreislauf und Muskulatur
  • Ernährung reich an Antioxidantien, Ballaststoffen und pflanzlichen Proteinen
  • Stressreduktion durch Entspannungstechniken und Schlafoptimierung
  • Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und Blutbildkontrollen

Empfehlungen für die Phase um die 60:

  • Zielgerichtetes Muskel- und Gleichgewichtstraining zur Sturzprophylaxe
  • Kontrolluntersuchungen für Herz, Nieren, Stoffwechsel und Gedächtnis
  • Anpassung der Ernährung an den veränderten Stoffwechsel
  • Soziale Teilhabe fördern, Vereinsamung entgegenwirken

Frühzeitige Intervention kann die Qualität des Alterns entscheidend verbessern.

Wann sind medizinische Tests sinnvoll?

Idealerweise sollten zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr erste umfassende Gesundheits- und Bluttests erfolgen, um die biologische Ausgangslage festzustellen. Spätestens ab 50 empfiehlt sich die regelmäßige Kontrolle relevanter Biomarker.

Moderne Angebote kombinieren dabei klassische Vorsorge (z. B. Blutfette, Blutzucker, Leber- und Nierenwerte) mit epigenetischen und molekularbiologischen Tests. Diese geben Aufschluss über den aktuellen Stand der Altersbiologie und helfen, individuell sinnvolle Maßnahmen abzuleiten.

Zudem können Gentests Risikoprofile für bestimmte altersbedingte Erkrankungen aufzeigen, etwa für Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes.

Altern verstehen, gezielt gegensteuern

Die Erkenntnis, dass wir nicht kontinuierlich, sondern in Schüben altern, ist ein wichtiger Meilenstein der Altersforschung. Die kritischen Phasen um die 40 und 60 Jahre bieten gezielte Ansatzpunkte, um aktiv Einfluss zu nehmen.

Wer in diesen Lebensabschnitten präventiv handelt, kann die Folgen des Alterns mildern, Krankheiten verzögern und die Lebensqualität erhalten. Moderne Diagnostik und individualisierte Vorsorgeprogramme helfen dabei, das eigene Altern besser zu verstehen und selbstbewusst zu gestalten.

Altern ist unausweichlich – wie wir altern, liegt jedoch in unserer Hand.

 

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