In der gesundheitspolitischen Diskussion spielen sozioökonomische Rahmenbedingungen eine zunehmend bedeutende Rolle. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) – also einer regelmäßigen, staatlich finanzierten Zahlung an Bürgerinnen und Bürger ohne Bedürftigkeitsprüfung oder Gegenleistung – hat dabei das Potenzial, nicht nur soziale Ungleichheit zu mindern, sondern auch gesundheitliche Risikofaktoren positiv zu beeinflussen.
Das jüngst abgeschlossene Pilotprojekt Grundeinkommen, durchgeführt von der gemeinnützigen Organisation Mein Grundeinkommen e. V. in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), erlaubt erstmals belastbare Aussagen zur Wirkung eines monatlich garantierten Einkommens auf die Gesundheit. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur ökonomische, sondern vor allem psychische und psychosoziale Parameter – jene also, die nachweislich eng mit Morbidität und Mortalität verknüpft sind.
Das von 2021 bis 2024 durchgeführte Pilotprojekt umfasste insgesamt 1.702 Probandinnen und Probanden, aufgeteilt in zwei Gruppen:
Ziel war es, systematisch zu untersuchen, wie sich die Zahlung eines BGEs auf verschiedene Aspekte des Lebens auswirkt – darunter Lebenszufriedenheit, psychische Gesundheit, Arbeitsverhalten, finanzielle Sicherheit und Vertrauen in Institutionen. Die Erhebung erfolgte mittels quantitativer und qualitativer Methoden, darunter regelmäßig standardisierte Selbstauskünfte, psychometrische Tests und Tiefeninterviews.
Der zentrale Befund der Studie: Die Lebenszufriedenheit nahm unter den BGE-Empfängern signifikant zu – und das nachhaltig.
Bereits nach wenigen Monaten wurde ein Zuwachs von 42 Prozent einer Standardabweichung gemessen – ein für sozialwissenschaftliche Studien ungewöhnlich starker Effekt. Besonders hervorzuheben ist, dass diese Wirkung über den gesamten Studienzeitraum stabil blieb, was gegen eine bloße Anfangseuphorie („Novelty Effect“) spricht.
Die Verbesserung äußerte sich insbesondere in folgenden Bereichen:
Diese Effekte sind gesundheitlich von hoher Relevanz. Zahlreiche epidemiologische Studien, darunter Kohortenstudien aus Skandinavien und den USA, konnten zeigen, dass psychische Stabilität ein prädiktiver Faktor für gesunde Lebensjahre und sogar ein geringeres Sterberisiko darstellt.
Ein erklärender Mechanismus für die gesundheitsfördernden Effekte des BGE dürfte die Reduktion von chronischem Stress sein. Finanzielle Unsicherheit zählt zu den häufigsten externen Stressoren. Diese Art von sozialem Stress steht in enger Verbindung mit erhöhten Cortisolspiegeln, Schlafstörungen, Blutdruckanstieg und Immunmodulation – und damit mit zahlreichen chronischen Erkrankungen.
Teilnehmende berichteten, dass das Grundeinkommen es ihnen ermöglichte:
Ein weiterer Aspekt, der indirekt die Gesundheit fördern kann, ist das soziale Vertrauen. Empfänger des Grundeinkommens zeigten ein signifikant höheres Vertrauen in staatliche Institutionen sowie in Mitmenschen. Auch das gesellschaftliche Engagement nahm zu – etwa durch ehrenamtliche Tätigkeiten oder lokale Projekte.
Studien zu sogenanntem „Sozialkapital“ zeigen, dass ein hohes Maß an gesellschaftlicher Einbindung mit geringerem Risiko für Demenz, weniger Depressionen und besserer kognitiver Leistungsfähigkeit im Alter korreliert.
Einer der am meisten diskutierten Kritikpunkte am Grundeinkommen ist die Sorge, es könne die Arbeitsmotivation mindern. Die Ergebnisse der Studie sprechen klar dagegen: Die Teilnehmenden reduzierten ihre Erwerbsarbeit nicht signifikant. Stattdessen berichteten viele von einer größeren Freiheit in der Berufswahl, dem Start von Weiterbildungen oder dem Mut zu einem Jobwechsel.
Mehrere Teilnehmer begannen selbstständige Projekte oder sozialunternehmerische Tätigkeiten – Zeichen einer größeren Selbstwirksamkeit.
Obwohl die Pilotstudie primär auf subjektive Gesundheit und Lebensqualität abzielte, wurden auch indirekte Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten dokumentiert. So zeigten Empfänger:
In internationalen Analysen, etwa aus Kanada und Alaska, deuten ähnliche Programme darauf hin, dass ein BGE langfristig sogar die Gesundheitsausgaben senken könnte.
Ein Blick ins Ausland stützt die Ergebnisse des deutschen Pilotprojekts. In Finnland wurde etwa 2.000 Arbeitslosen zwei Jahre lang ein monatliches Einkommen von 560 Euro gewährt. Auch dort zeigte sich: höhere Lebenszufriedenheit, weniger Stress, bessere mentale Gesundheit – ohne Rückgang der Erwerbstätigkeit.
In Kanada (Ontario Basic Income Pilot, 2017) zeigte sich: weniger Arztbesuche, weniger Medikamenteneinnahme, besserer Schlaf.
Wissenschaftlich muss angemerkt werden: Der aktuelle Erkenntnisstand basiert auf einer relativ kleinen Interventionsgruppe (n = 122), die nicht vollständig repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist. Zudem wurden physiologische Parameter wie Blutdruck, Entzündungsmarker oder medizinische Diagnosen nicht systematisch erfasst.
Auch ist unklar, ob die positiven Effekte über längere Zeiträume anhalten würden.
Die Initiatoren des Projekts haben jedoch angekündigt, eine Folgestudie mit biometrischen Messdaten zu planen.
Das bedingungslose Grundeinkommen zeigt in ersten Studienergebnissen eindeutig positive Wirkungen auf die psychische Gesundheit, das subjektive Wohlbefinden und das Vertrauen in soziale Systeme. Obwohl noch keine direkten Aussagen zur physischen Langlebigkeit getroffen werden können, sind viele der beobachteten Effekte mit reduzierten Gesundheitsrisiken und einer besseren Lebensqualität im Alter assoziiert.
Die Studienlage liefert somit wichtige Impulse für die gesundheitspolitische Diskussion. In Zeiten wachsender sozialer Unsicherheiten und psychischer Belastungen stellt das BGE einen interessanten Hebel dar – nicht als Allheilmittel, wohl aber als präventives Instrument in einem gesamtgesellschaftlichen Gesundheitskontext.