Jahrelang waren Diäten, Bewegung und strikte Ernährungspläne die einzigen Möglichkeiten für Menschen mit starkem Übergewicht, um abzunehmen. Doch nun gibt es eine Alternative: Abnehmspritzen wie Ozempic und Wegovy. Diese Medikamente, ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt, sind mittlerweile ein regelrechter Hype in der Abnehmbranche. Prominente schwören auf sie, Mediziner diskutieren ihre Vor- und Nachteile. Aber wie genau wirken sie, und könnten sie wirklich der heilige Gral der Gewichtsabnahme sein?
Die Entdeckung der Hormonregulation beim Abnehmen
Das Prinzip der Abnehmspritzen basiert auf einem Hormon namens GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1), das in unserem Darm produziert wird. Es reguliert den Blutzucker und spielt eine entscheidende Rolle beim Sättigungsgefühl. Doch wie kam die Wissenschaft darauf?
Forscher entdeckten, dass bestimmte Menschen von Natur aus weniger Hunger verspüren. Sie fanden heraus, dass dies mit der Balance von drei wichtigen Hormonen zusammenhängt:
Bei Menschen mit Übergewicht funktioniert diese Balance oft nicht optimal. Ihr Körper produziert weniger Leptin, was bedeutet, dass sie sich später satt fühlen, und mehr Ghrelin, was zu häufigem Hungergefühl führt. GLP-1-Medikamente greifen hier ein, indem sie das Sättigungsgefühl verstärken und den Hunger drosseln.
Studien zeigen, dass Menschen unter Semaglutid-Therapie (dem Wirkstoff in Ozempic und Wegovy) innerhalb eines Jahres im Durchschnitt 10-15 % ihres Körpergewichts verlieren.
Neben der Gewichtsreduktion gibt es weitere positive Effekte:
Eine langfristige Alternative zur Abnehmspritze ist die Magenband-Operation. Dabei wird ein anpassbares Band um den oberen Teil des Magens gelegt, wodurch das Magenvolumen verkleinert wird. Dadurch tritt das Sättigungsgefühl schneller ein, und die Patienten essen automatisch weniger. Im Gegensatz zu Medikamenten bietet die Magenband-OP eine dauerhafte Lösung ohne medikamentöse Nebenwirkungen, erfordert jedoch eine chirurgische Intervention und eine intensive Nachbetreuung.
Neueste Studien legen nahe, dass GLP-1-Medikamente nicht nur das Essverhalten beeinflussen, sondern auch das Verlangen nach anderen Suchtmitteln wie Nikotin oder Alkohol reduzieren könnten. Der Mechanismus dahinter ist bisher nicht vollständig geklärt, aber Forscher spekulieren, dass das Belohnungssystem im Gehirn durch diese Medikamente moduliert wird.
Da diese Medikamente noch relativ neu sind, gibt es keine Langzeitstudien, die potenzielle Risiken über Jahrzehnte hinweg beleuchten.
Ein großes Problem ist, dass viele Patienten nach dem Absetzen der Medikamente schnell wieder an Gewicht zunehmen. Ohne begleitende Ernährungsumstellung bleibt die Wirkung oft nur kurzfristig.
Viele Menschen ohne medizinische Indikation nutzen Abnehmspritzen als schnelle Lösung zum Abnehmen – was Risiken birgt. Zudem entsteht bereits jetzt ein Versorgungsproblem für Diabetes-Patienten, die diese Medikamente dringend benötigen.
Die Forschung arbeitet an neuen Medikamenten, die noch effizienter und mit weniger Nebenwirkungen wirken sollen. Auch Kombinationstherapien mit anderen Hormonen werden untersucht, um gezielt auf den Stoffwechsel einzuwirken.
Besonders spannend: Die mögliche Anwendung von GLP-1-Analoga zur Behandlung von Suchtverhalten. Sollten sich diese Ergebnisse bestätigen, könnte die Abnehmspritze langfristig auch bei der Bekämpfung von Alkohol-, Nikotin- oder sogar Spielsucht eine Rolle spielen.
Die Abnehmspritze ist ohne Zweifel eine bahnbrechende Entwicklung in der Medizin und bietet Millionen von Menschen eine effektive Hilfe zur Gewichtsabnahme. Dennoch ist sie kein Wundermittel. Wer sich nur auf die Spritze verlässt, ohne seine Ernährung und seinen Lebensstil zu verändern, könnte nach dem Absetzen wieder am Ausgangspunkt stehen.
Ob die Abnehmspritze für den Einzelnen ein Segen oder ein Fluch ist, hängt von vielen Faktoren ab – vorwiegend von einer bewussten, verantwortungsvollen Nutzung unter ärztlicher Aufsicht.