Blutwäsche – Was steckt hinter dem umstrittenen Langlebigkeits-Trend?

Longevity20. Juli 20251.4K Views

Blutwäsche

Jung durch sauberes Blut?

Die Idee, das Blut von „Altlasten“ zu befreien, fasziniert die Menschheit seit Jahrhunderten. Moderne Methoden wie Plasmapherese, Blutfiltration oder Hämoperfusion sollen die Entgiftung unterstützen, Entzündungen reduzieren und Alterungsprozesse verlangsamen. Prominente wie der Tech-Unternehmer Bryan Johnson treiben diesen Ansatz auf die Spitze – bis zu übertragenem Blut von jüngeren Menschen.

Doch was steckt hinter dem Hype um die sogenannte Blutwäsche? Kann sie tatsächlich die Langlebigkeit fördern? Und welche seriösen Anwendungen gibt es, etwa bei chronischen Infektionen wie Borreliose? Wir schauen uns um …

Was ist Blutwäsche genau?

Unter dem Begriff „Blutwäsche“ fassen Mediziner verschiedene hoch entwickelte Verfahren zusammen, die darauf abzielen, belastende oder unerwünschte Stoffe gezielt aus dem Blutkreislauf zu entfernen. Diese Methoden gehören ursprünglich zur Hochleistungsmedizin, finden aber zunehmend den Weg in präventive und lebensstilorientierte Gesundheitsansätze.

Zu den gängigen Verfahren zählen:

  • Plasmapherese: Hierbei wird das Blutplasma – der flüssige Bestandteil des Blutes – von den Blutzellen getrennt. Das Plasma enthält unter anderem Antikörper, Entzündungsmediatoren und Stoffwechselrückstände. Nach der Trennung wird das Plasma entweder gereinigt oder durch künstliche Flüssigkeiten ersetzt.
  • Hämofiltration / Hämodiafiltration: Bekannt aus der Dialyse, werden hier kleinste Moleküle und Toxine mittels spezieller Filter entfernt. Dieser Prozess entlastet die Leber, Nieren und das Immunsystem.
  • Hämoperfusion: Das Blut wird über Filter oder Aktivkohle-Aggregate geleitet, die gezielt schädliche Substanzen, z. B. Schwermetalle, Medikamente oder Entzündungsstoffe binden und herausfiltern.
  • Lipid-Apherese:Entfernt gezielt Blutfette (Cholesterin, Lipoproteine) bei Patienten mit schweren Fettstoffwechselstörungen.
  • Immunadsorption:Filtert krankheitsauslösende Antikörper oder Immunfaktoren aus dem Blut.

Diese Verfahren kommen traditionell bei Vergiftungen, Autoimmunerkrankungen, Leberversagen oder schweren Infektionen zum Einsatz. Ihr Nutzen zur generellen Entgiftung oder als Anti-Aging-Tool wird aktuell kontrovers diskutiert.

 

Blutwäsche als Anti-Aging-Methode – Wunsch oder Wirklichkeit?

Die Vorstellung, den Alterungsprozess durch „Reinigung“ des Blutes zu verlangsamen, ist keineswegs neu. Bereits in der Antike glaubte man an die verjüngende Wirkung von Blutveränderungen – die modernen Verfahren stützen sich allerdings auf wissenschaftliche Mechanismen:

  • Reduktion von Entzündungsmarkern: Chronische, sogenannte „stille Entzündungen“ gelten als Treiber von Alterung und Krankheiten. Studien zeigen, dass durch Blutwäsche entzündungsfördernde Zytokine reduziert werden können.
  • Senkung oxidativen Stresses: Schädliche Sauerstoffradikale belasten Zellen. Blutfiltration kann helfen, oxidierte Proteine oder Lipidperoxidationsprodukte (Fette) zu verringern.
  • Mögliche Verbesserung zellulärer Funktionen: Einige Untersuchungen deuten an, dass gereinigtes Blut die Funktion von Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zellen, verbessern könnte – ein wichtiger Aspekt für Vitalität und Zellalterung.

Allerdings: Die überwiegende Datenlage stammt aus der Behandlung schwerer Erkrankungen. Es fehlen großangelegte Studien zur Wirksamkeit bei gesunden Menschen oder explizit zur Lebensverlängerung.

Bryan Johnson – Radikale Ansätze in der Praxis

Der amerikanische Tech-Millionär Bryan Johnson hat das Thema Blutwäsche medial stark präsent gemacht. Sein ambitioniertes Programm “Blueprint” umfasst über 100 tägliche Maßnahmen zur Verjüngung von Körper, Organen und Gehirn.

Besonders kontrovers: Johnson experimentiert nicht nur mit klassischer Blutfiltration, sondern geht weiter. Er ließ sich Blutbestandteile seines eigenen 17-jährigen Sohnes transfundieren – in Anlehnung an tierexperimentelle Studien, die bei Mäusen mit „jungem Plasma“ positive Effekte auf Kognition und Alterungsprozesse zeigten.

Die wissenschaftliche Gemeinschaft reagiert gespalten:

  • Einerseits liefern tierexperimentelle Daten interessante Ansätze, z. B. über Signalstoffe im Blutplasma, die Gewebe beeinflussen.
  • Andererseits fehlen am Menschen Belege, dass übertragene Blutzellen oder Plasma wirklich verjüngend wirken – Risiken wie Infektionen, Immunreaktionen oder ethische Probleme überschatten den Nutzen.

Trotz Kritik zeigt das Beispiel Johnson: Die Grenzen zwischen Hochleistungsmedizin, Biohacking und Lifestyle-Trend verschwimmen zunehmend.

Blutwäsche bei Borreliose: Eine ernsthafte Therapieoption?

Abseits des Anti-Aging-Kontextes gibt es auch bei schweren chronischen Erkrankungen wie Borreliose Ansätze, Blutwäsche gezielt therapeutisch einzusetzen.

Die Lyme-Borreliose wird durch Zecken übertragen und kann, unbehandelt oder chronisch verlaufend, schwerwiegende Symptome hervorrufen:

  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Chronische Müdigkeit und Erschöpfung
  • Kognitive Beeinträchtigungen (“Brain Fog”)
  • Neurologische Störungen

Konventionelle Antibiotikatherapien stoßen bei langwierigen Verläufen oft an Grenzen. Einige spezialisierte Therapiezentren, wie die Biocannovea-Kliniken, setzen zusätzlich auf Blutwäsche in Kombination mit:

  • Hyperbarem Sauerstoff (HHO)
  • Ozontherapie
  • Immunmodulierende Maßnahmen

Die Idee: Durch das Entfernen von Toxinen, Entzündungsstoffen und Abbauprodukten kann das überforderte Immunsystem entlastet und die Erregerlast reduziert werden.

Zwar berichten Betroffene teils über deutliche Verbesserungen der Lebensqualität. Doch bislang fehlen großangelegte randomisierte Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit solcher kombinierten Ansätze unabhängig bestätigen.

Risiken und Grenzen der Blutwäsche

Trotz aller theoretischen Vorteile ist die Blutwäsche kein risikofreier Prozess:

  • Kreislaufbelastung: Insbesondere ältere oder geschwächte Patienten können durch den Volumenentzug oder die Flüssigkeitsverschiebungen Kreislaufprobleme entwickeln.
  • Infektionsrisiko: Jeder Zugang zum Blutkreislauf birgt das Risiko von Infektionen. Unsachgemäße Hygiene oder unzureichend getestete Plasmaquellen können das Risiko erhöhen.
  • Entfernung nützlicher Substanzen: Neben schädlichen Stoffen können auch wichtige Eiweiße, Hormone oder Immunfaktoren unbeabsichtigt entfernt werden.
  • Kosten: Blutwäsche ist teuer – Preise von mehreren Tausend Euro pro Sitzung sind keine Seltenheit. Krankenkassen übernehmen die Kosten nur bei klarer medizinischer Indikation.

Experten empfehlen deshalb, Blutwäsche nur in spezialisierten Zentren mit erfahrener ärztlicher Begleitung und ausschließlich bei medizinischer Notwendigkeit durchzuführen.

Blutwäsche zwischen Hightech-Medizin und Lifestyle-Hoffnung

Die Blutwäsche und Apherese bieten zweifellos faszinierende medizinische Möglichkeiten, insbesondere zur Behandlung schwerer Krankheiten oder akuter Vergiftungen. Ihr Transfer in den Bereich der Langlebigkeitsmedizin und Lebensstil-Optimierung weckt Hoffnungen, bleibt aber bislang wissenschaftlich unzureichend abgesichert.

Für Patienten mit klaren medizinischen Indikationen können Verfahren wie Plasmapherese, Immunadsorption oder Lipid-Apherese lebensrettend sein.

Wer sich für Blutwäsche interessiert, sollte sich umfassend von qualifizierten Medizinern beraten lassen, Risiken und Kosten sorgfältig abwägen und nicht auf undifferenzierte Heilsversprechen vertrauen.

Blutwäschen bleiben ein spannendes, aber komplexes Feld, das verantwortungsvoll und individuell bewertet werden muss.

 

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